KAB Bamberg

Archivierte News

„Offensiv werden – sozialethisch denken“

Studientag zur katholischen Soziallehre im Bistumshaus St. Otto

Bamberg (ds). Vor dem Hintergrund der weltweiten Finanzkrise und den daraus resultierenden, dramatischen Folgen stellt sich Papst Benedikt XVI. in die Tradition sozialethischen Denkens und kritisiert mit der, am 29. Juni 2009 veröffentlichten, Sozialenzyklika „Caritas in veritate“ die Gewinnsucht in der Wirtschafts- und Finanzwelt. „Die Wirtschaft braucht für ihr konkretes Funktionieren die Ethik, nicht irgendeine Ethik, sondern eine menschenfreundliche Ethik.“ Es wird deutlich, dass es eine Aufgabe der Glaubenden ist, sich politisch und sozial zu engagieren.

Dr. Siegfried Ecker (links) und Dr. Manfred Böhm beim Studientag

Bamberg (ds). Vor dem Hintergrund der weltweiten Finanzkrise und den daraus resultierenden, dramatischen Folgen stellt sich Papst Benedikt XVI. in die Tradition sozialethischen Denkens und kritisiert mit der, am 29. Juni 2009 veröffentlichten, Sozialenzyklika „Caritas in veritate“ die Gewinnsucht in der Wirtschafts- und Finanzwelt. „Die Wirtschaft braucht für ihr konkretes Funktionieren die Ethik, nicht irgendeine Ethik, sondern eine menschenfreundliche Ethik.“ Es wird deutlich, dass es eine Aufgabe der Glaubenden ist, sich politisch und sozial zu engagieren.

Deshalb veranstalteten das Bildungswerk der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Bamberg und das KAB Landesbildungswerk, die Betriebsseelsorge und die Katholische Erwachsenenbildung (KEB) am Samstag, 6. Februar, im Bistumshaus St. Otto einen Studientag zur katholischen Soziallehre.

Die zahlreichen Teilnehmer waren aufgefordert, sich – ausgehend von der aktuellen Sozialenzyklika – mit der sozialen Verkündigung der Kirche zu beschäftigen und über diese Thematik zu diskutieren, um einen anderen Blick auf die Gestaltung der Gesellschaft zu bekommen und den Glauben an einen gerechten Gott in konkretes Handeln einmünden zu lassen.

Den Auftakt der Veranstaltung bildeten Ausschnitte aus dem Film „Let’s Make Money“. Der österreichische Regisseur Erwin Wagenhöfer zeigt in diesen Sequenzen John Perkins, einen ehemaligen Manager und „Wirtschaftskiller“, der erläuterte, mit welchen Methoden international operierende Konzerne rohstoffreiche Dritte-Welt-Länder in finanzielle und politische Abhängigkeit bringen und sie zwingen, ihre Rohstoffe – unter Preis – zur Tilgung der Schulden zu verkaufen. Die emotional aufwühlenden Inhalte dieser Szenen führten zu einer intensiv und engagiert geführten Diskussion der Anwesenden über die dargestellte Thematik.

Im anschließenden „Ethik-Talk“ erörterten Dr. Manfred Böhm (Katholische Betriebsseelsorge; Theologe) und Dr. Siegfried Ecker (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung; Theologe und Soziologe) relevante Themen wie Marktwirtschaft, die Banken, ethische Geldanlage, den Sozialstaat, die Tradition der Sozialenzykliken und die Bibel. Die Fragen stellte Franz-Josef Rother, Geschäftsführer der KEB und Moderator des Studientags. Zu Beginn der Runde äußerte sich Ecker zum Wesen der Ethik und Religionen und stellte fest, dass das Grundprinzip aller Religionen gleich sei: „Was Du nicht willst, dass man Dir tut’, das füg’ auch keinem anderen zu“. Die These, dass in einer funktionierenden Marktwirtschaft der Markt sich selbst regeln würde, bezeichnete er als illusorisch, da es ohne Regeln und Gesetze zu einer einseitigen Bevorzugung derjenigen kommen würde, die die Macht hätten, den Markt zu manipulieren und ihn zu ihrem Vorteil zu verändern. Böhm pflichtete ihm bei, da – bei einem Rückzug des Staates – die unsichtbare Hand des Marktes bei der vermögenden Klasse verbleibe, die dies hemmungslos zu ihren Gunsten ausnutzen würde. Insofern seien staatliche Eingriffe – die Schaffung von klaren, für alle geltenden Regeln und Gesetze – notwendig und dienten der Balance zwischen den einzelnen Schichten der Gesellschaft. Denn die eigentliche Aufgabe der Wirtschaft sei es, die Lebensgrundlage für alle Menschen zu sichern, so dass jeder sein Dasein in Würde gestalten könne. In diesem Zusammenhang beklagte Böhm auch den verloren gegangenen Konsens unserer Gesellschaft, der sich dadurch ausdrücke, dass die Primärverteilung immer ungerechter werde. So besitzen zehn Prozent der Bevölkerung 60 Prozent des Vermögens. Hier müsse der Sozialstaat korrigierend eingreifen und diese Verhältnisse ausgleichen, da sonst die Demokratie in Gefahr gerate, wie schon der Kirchenvater Augustinus wusste: „Fehlt die Gerechtigkeit – was sind Staaten anderes als Räuberbanden.“ Denn der Sozialstaat sei ein Wert an sich und kein Kostgänger der Wirtschaft. Auch Ecker sagte, dass der Sozialstaat dann optimal funktioniere, wenn alle Anteil am wirtschaftlichen Reichtum haben. Der Grundgedanke der neuen Sozialenzyklika sei die Liebe – zur Wahrheit – und dies verlange von der Wirtschaft und Politik, das auf die Nützlichkeit reduzierte Menschenbild zu revidieren, da der Mensch an sich nicht berechenbar sei und nicht auf rein ökonomisch rationales Handeln begrenzt werden könne. In der Arbeitswelt, müsse wieder der „Mensch das Maß aller Dinge“ werden – wie auch bei der Gestaltung der Gesellschaft, so Böhm. Der Wert „guter Arbeit“ – also sozialversicherter Arbeitsverhältnisse, von deren Entgelt man seinen Lebensunterhalt bestreiten könne – sei ein wichtiges Thema in der Enzyklika. Die Aufforderung an Christen, sich politisch zu engagieren, werde auch am Leben und Tod Jesu deutlich. So habe er immer wieder Konflikte mit der herrschenden Klasse ausgetragen – sei es durch die Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel oder die Verletzung des Sabbatgebots – und somit müsse sein Wirken politisch gedeutet werden und davon leite sich auch die politische Ausrichtung des Christentums ab.

Im Rahmen der Veranstaltung wurden sechs Beispiele für verschiedene Projekte vorgestellt, die zeigen, dass es viele Möglichkeiten für Christen gibt, sozialethisch zu handeln und sich politisch zu engagieren. Raimund Busch erläuterte das Konzept des fairen Handels, Martin Becher präsentierte die Allianz für den freien Sonntag und der Betriebsrat Volker Griebel setzte sich für Solidarität und Gerechtigkeit im Betrieb ein. Umweltengagement als Solidarbeitrag war das Thema von Michael Fischer-Hoyer und Dr. Joachim Schneider sprach über die Möglichkeiten, die Oikokredit bietet, Geld nachhaltig, sicher, gerecht und sinnvoll anzulegen. Das Madagaskar-Projekt der KAB, über das Ingrid Mittelmeyer referierte, zeigte, wie – und vor allem das – Globalisierung von unten funktionieren kann.

Die Besucher des Studientags filterten, mittels Gruppenarbeit, die – für sie – wichtigsten Inhalte aus den Texten der katholischen Sozialverkündung heraus. In den Ergebnissen der einzelnen Gruppen, die dann im Plenum vorgestellt wurden, wurde offenbar, dass der Mensch – gerade in der Wirtschaft und Politik – immer das Maß aller Dinge sein müsse und deshalb die Arbeit den Vorrang vor dem Kapital habe. Ebenso bedeutsam waren die Thesen: „Die Erde ist für alle da“, „Sozialpflichtigkeit des Marktes“ und „Eigentum verpflichtet“. Ausgehend von diesen Bekenntnissen, müsse auch über die verschiedenen Aspekte von Besitz und Wohlstand diskutiert und der ungleichmäßig vorhandene Reichtum gerecht verteilt werden.

Die Veranstaltung endete mit dem Appell Rothers an alle Teilnehmer, nicht nur selbst sozialethisch zu denken und zu handeln, sondern – durch diese Aktivitäten – diese wichtigen, sozialpolitischen Themen der Öffentlichkeit bewusst zu machen.

Dietmar Stark, Öffentlichkeitsreferent d. KAB