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Kommt die "Steuer gegen Armut"

Info-Veranstaltung    Was vor drei Jahren kaum einer kannte, ist heute in aller Munde: die Finanztransaktionssteuer. Für deren Akzeptanz hat maßgeblich auch der Jesuit Jörg Alt gekämpft. Am Freitag sprach er auf Einladung des KAB Kreisverbands Kronach-Hof  in der Sparkasse Kronachüber die Erfolgsaussichten zur Einführung der „Steuer gegen die Armut“.

Jesuitenpater Jörg Alt informierte am Freitag in Kronach über die Finanztransaktionssteuer.

Info-Veranstaltung    Was vor drei Jahren kaum einer kannte, ist heute in aller Munde: die Finanztransaktionssteuer. Für deren Akzeptanz hat maßgeblich auch der Jesuit Jörg Alt gekämpft. Am Freitag sprach er auf Einladung des KAB Kreisverbands Kronach-Hof  in der Sparkasse Kronachüber die Erfolgsaussichten zur Einführung der „Steuer gegen die Armut“.

Kronach- Karohemd, dunkle Jeans, Rucksack, rötliches Haar und Sommersprossen: Auf den ersten Blick entspricht Jörg Alt nicht unbedingt dem gängigen äußeren Erscheinungsbild eines Jesuitenpaters. Bescheiden, freundlich und bodenständig – so kommt der 50 Jährige daher.  Zunächst würde man in dem wesentlich jünger wirkenden Hochschulpfarrer nicht unbedingt den unermüdlichen Kämpfer vermuten, der schon mehrere soziale und entwicklungspolitische Kampagnen gestartet hat. Seine anfangs nur „müde belächelte“ Forderung nach Einführung einer Umsatzsteuer auf  alle spekulationsrelevanten Finanztransaktionen ist inzwischen zur durchschlagenden Initiative geworden, die in Deutschland und auf europäischer Ebene diskutiert wird. Und doch: Pater Jörg Alt versteht es zu beeindrucken  – nicht mit lauten Tönen oder gestenreich artikulierend. Er überzeugt mit Argumenten, sachlich und ruhig vorgetragen - aber mit einer Wirkung, der sich keiner entziehen kann.

Der promovierte Migrationssoziologe zeigte sich überzeugt, mit der Steuer in einem Jahr mehr als 100 Milliarden Euro einnehmen zu können, um damit die Armut sowie die Folgen des Klimawandels zu bekämpfen. Eine utopische Vorstellung? Keineswegs! Die Einführung einer Finanztransaktiossteuer scheint in diesen Tagen so nah wie nie. Die EU-Kommission hat sich für ihre Einführung ausgesprochen, die französische und die deutsche Regierung können sie sich vorstellen. 2009 hat Alt in Nürnberg die Initiative „Steuer gegen Armut“ gegründet, weil er es noch nie verstanden habe, „warum man auf jedes Gummibärchen und jede Windel Steuern zahle, nicht aber bei Finanztransaktionen“. Auf das Thema kam der stellvertretende Leiter der Jesuitenmission zufällig, als er 2005 bis 2008 als Kaplan in Punta Gorda, Belize ein Praktikum ableistete. „Als wir 2008 ein Sommerlager vorbereiteten, waren plötzlich Reis, Mais und Weizen aus den Geschäften verschwunden.Es gab nichts mehr zu essen, weil die Preise für Lebensmittel durch Spekulationen so hoch getrieben wurden, dass die Menschen nichts mehr kaufen konnten“, erinnert er sich. Die mit 0,05 Prozent der Transaktionssumme bewusst niedrig angesetzt Steuer solle auf den Handel mit Devisen, Derivaten, Aktien und Rohstoffen gelten. „Zurück in Deutschland formulierte ich eine Petition an den Bundestag. Ich sammelte in zwei Wochen 55.000 Unterschriften, zum Ablauf der Frist waren es 66.000“. Einen starken Befürworter fand er in Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. „Nur wofür beziehungsweise zu welchem Anteil die Einnahmen verwendet werden, da gehen wir auseinander“, so der Pater. Das größte Problem bei einer Umsetzung in Europa seien vor allem die Britten sowie wirtschaftsliberale politische Kräfte wie die FDP.

Diskussion

Nach seinem Vortrag stand Alt dem Publikum Rede und Antwort. Marietta Schmidt von der  KAB Kulmbach wollte wissen, ob eine ausschließlich nationale Transaktionssteuer Sinn mache. Dies verneinte Alt, da sonst Kapitalanleger ihre Geschäfte mühelos in anderen europäischen Ländern tätigen könnten. Sie müsse in der EU eingeführt werden. In die gleiche Richtung zielte die Frage von Diakon Herbert Mayer aus Burgkunstadt, der eine Steuerflucht von Händlern befürchtete. „Ich halte diese Gefahr bei einer EU-weiten Einführung für überschaubar“, so der Pater, da die Hemmschwelle, Geschäfte auf karibische Inseln oder nach Singapur zu verlegen, hoch sei. Hinrich Ruyter fragte: „Soll die Steuer die Banken oder die Großinvestoren treffen? Alt betonte: „Wir zielen keineswegs gegen die Banken, sondern wollen bestimmte Geschäftsgebaren der Händler wie den „Hochgeschwindigkeitshandel der Computer-Zocker“ treffen und die Finanzmärkte entschleunigen.“ Der „kleine Sparer“ werde kaum zur Kasse gebeten. Dietmar Lang fragte nach den Unterschied zur Börsenumsatzsteuer und wer die Steuerbeträge einziehe: „Bestimmte Transaktionen wie Devirate, Telefonhandel oder Schattenbanksektor fallen nicht unter die Börsenumsatzsteuer. Der Einzug könnte über eine im Großrechner der Börsenorganisation in London eingesetzte Software erfolgen, die die Nationalität von Käufer und Verkäufer erkennt“, war die Antwort. Markus Oesterlein von der JU Kronach wollte eine realistische Einschätzung, ob die Steuer kommt. Darauf Alt: „Ich bin überzeugt, dass eine Steuer für die Eurozone plus ein X an anderen Ländern kommt. Die Frage ist, wie gut sie sein und wofür sie verwendet wird.“ Hinrich Ruyter befürchtete, dass die Länder mit den Einnahmen ihren Schuldenberg tilgten. „Eine 1 zu 1–Umsetzung unserer Forderungen wird es nicht geben“, sah es Alt realistisch. Er betonte, dass die Kampagne keine Spinnerei „weltfremder Gutmenschen“ sei. „Wir wollen eine mittel- und langfristige Armutsbekämpfung und Finanzmärkte, die auch dem Gemeinwohl dienen. Stabilere Entwicklungsländer nützen auch unserem Handel“, antwortete der Pater. Dies sei aber nur ein erster Schritt für soziale Gerechtigkeit. Die Abgabe sei auch „ein Symbol dafür, ob es der Politik gelingt, den Primat gegenüber den Finanzmärkten wiederzugewinnen“. hs

Für „Steuer gegen Armut: engagieren sich rund 90 Nichtregierungs-organisationen, neben der KAB und anderen kirchlichen Hilfswerken, Gewerkschaften, Entwicklungshilfeorganisationen, mehrere Banken und das globalisierungskritische Netzwerk Attac. Es gibt vergleichbare Kampagnen in fast 40 Ländern. hs

Aus der Veranstaltung:

Begrüßung: Die Gäste wurden von Georg Löffler seitens der Sparkasse sowie von KAB-Kreisvorsitzender Gabriele Zeuß und Kreisverbandsvorsitzendem Günter Romig willkommen geheißen. Zeus und Romig dankten der Sparkasse für die kostenlose Überlassung der Räumlichkeiten sowie dem Referenten, der unentgeltlich auftrat. Durch die Veranstaltung führte KAB-Diözesansekretärin Maria Gerstner. Kampagne: Diözesansekretärin Maria Gerstner und Geschäftsführer Ralph Korschinsky des KAB-Kreisverbandes Kronach-Hof kündigten eine KAB-Kampagne für ein Verbot von Lebensmittelspekulationen an. Man hofft auf die nötige Unterschriftenanzahl zwecks Einreichens einer Petition. Homepage: Weitere Infos zur Transaktionssteuer gibt es unter www.steuer-gegen-armut.org     hs