KAB Bamberg

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50 Jahre Konzil

Vor 50 Jahren begann das II. Vatikanische Konzil in Rom. Allenthalben gibt es in der katholischen Kirche Gedenkveranstaltungen vielfältigster Art. Häufig wird dabei beklagt, dass die Bremser nach dem „Öffnen der Fenster“ (Aggiornamento – Johannes XXIII.) in der Kirche wieder die Oberhand gewonnen haben. So stellt der damals für die deutsche Presse wichtigste Beobachter, der Jesuit Wolfgang Seibel fest: “Im Rückblick muss ich aber mit Bedauern sehen, dass die Wirkung dieser Ereignisse, oder besser: die Bereitschaft, die Impulse des Konzils und der Synode aufzunehmen, weiterzuentwickeln und zu vertiefen, immer geringer geworden ist. P. Karl Rahner hatte schon Recht, als er vor einem Marsch ins Ghetto warnte.“ (Jesuiten 2012/3)

Vor 50 Jahren begann das II. Vatikanische Konzil in Rom. Allenthalben gibt es in der katholischen Kirche Gedenkveranstaltungen vielfältigster Art. Häufig wird dabei beklagt, dass die Bremser nach dem „Öffnen der Fenster“ (Aggiornamento – Johannes XXIII.) in der Kirche wieder die Oberhand gewonnen haben. So stellt der damals für die deutsche Presse wichtigste Beobachter, der Jesuit Wolfgang Seibel fest: “Im Rückblick muss ich aber mit Bedauern sehen, dass die Wirkung dieser Ereignisse, oder besser: die Bereitschaft, die Impulse des Konzils und der Synode aufzunehmen, weiterzuentwickeln und zu vertiefen, immer geringer geworden ist. P. Karl Rahner hatte schon Recht, als er vor einem Marsch ins Ghetto warnte.“ (Jesuiten 2012/3)

Für KAB und Betriebsseelsorge ist diese Bilanz nicht ganz so negativ. Denn abgesehen von Stellenstreichungen im beginnenden neuen Jahrhundert haben wir uns in der Praxis eher aus dem Ghetto herausbewegt. Vor 20 Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass am verkaufsoffenen Sonntag der DGB-Vorsitzende, die Verdi-Sekretärin, der kda-Hauptamtliche und der KAB-Vorsitzende gemeinsam eine Befragung der Besucher des Frankencenters in Nürnberg durchgeführt hätten. Die deutsche Synode zehn Jahre nach dem Konzil hat da sicher viel bewirkt. Die entscheidenden inhaltlichen Grundlagen liegen aber im Konzilsdokument „Gaudium et Spes; Die Kirche in der Welt von heute.“

Einige kommentierte Zitate können das belegen. So heißt es in Nr. 69
Gott hat die Erde mit allem, was sie enthält, zum Nutzen aller Menschen und Völker bestimmt; darum müssen diese geschaffenen Güter in einem billigen Verhältnis allen zustatten kommen; dabei hat die Gerechtigkeit die Führung, Hand in Hand geht mit ihr die Liebe.
Die seit mindestens 20 Jahren nicht nur in Deutschland anhaltende Tendenz, dass der größte Teil der Menschen am erwirtschafteten Reichtum immer weniger Anteil erhält, widerspricht grundlegend dieser Bestimmung der irdischen Güter für alle und jeden Menschen. Die Tatsachen hat der Entwurf zum 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wieder schwarz auf weiß mit vielen Daten belegt. Dass Kürzen und Sparen (vor allem bei den „kleinen Leuten“!) nicht nur ethisch ungerecht, sondern auch wirtschaftlich unsinnig ist, zeigt die seit Jahren anhaltende Krise in Europa.

Schon in der Nr. 4 wird der Sinn des Wirtschaftens klar benannt:
Die fundamentale Zweckbestimmung dieses Produktionsprozesses besteht aber weder in der vermehrten Produktion als solcher noch in Erzielung von Gewinn oder Ausübung von Macht, sondern im Dienst am Menschen, und zwar am ganzen Menschen im Hinblick auf seine materiellen Bedürfnisse, aber ebenso auch auf das, was er für sein geistiges, sittliches, spirituelles und religiöses Leben benötigt. Das gilt ausdrücklich für alle Menschen und für jeden einzelnen, für jede Gruppe, für Menschen jeder Rasse und jeden Erdteils.
Der heutige Produktionsprozess – auch in Finanzmärkten gibt es „Produkte“ – steht in fundamentalem Gegensatz zu dieser Zweckbestimmung des Dienstes am Menschen. Es herrscht die Überzeugung vor, dass vor allem die gesellschaftlich schwächeren Gruppen in der Globalisierung der Finanzmärkte „Opfer bringen“ müssten. Das erforderten „die Märkte“. Da herrschen keine anonymen Kräfte, sondern nur wenige Menschen, die über riesige Geldmengen verfügen und nur Gewinn und Macht vor Augen haben. Der Kampf gegen die Sonntagsöffnungen, die vor allem von den großen Handelsketten gefordert werden, ist ein nicht nur symbolischer Akt für den Dienst am Menschen.

In Nr. 68 stehen Sätze, zu denen es in der Öffentlichkeit höchstens den Kommentar geben würde: „Solche sozialromantischen Illusionen sind in einer globalisierten Welt einfach weltfremd.“
In den wirtschaftlichen Unternehmen stehen Personen miteinander in Verbund, d.h. freie, selbstverantwortliche, nach Gottes Bild geschaffene Menschen. Darum sollte man unter Bedachtnahme auf die besonderen Funktionen der Einzelnen, sei es der Eigentümer, der Arbeitgeber, der leitenden oder der ausführenden Kräfte, und unbeschadet der erforderlichen einheitlichen Werkleitung die aktive Beteiligung aller an der Unternehmensgestaltung voranbringen;
Betriebliche und Unternehmensmitbestimmung wird in Deutschland eher abgebaut als ausgeweitet. Internationale Konzerne und Managementtheorien kennen das Bild vom „Personenverbund Unternehmen“ überhaupt nicht. Beispiel: Das Nürnberger Trafowerk hat in 10 Jahren 6 Betriebsleitungen erlebt. Denn ein Manager soll keine persönlichen Beziehungen zu Belegschaft und Betriebsrat aufbauen können.

In Nr. 69 wird sogar der „Mundraub“ gerechtfertigt
Zudem steht allen das Recht zu, einen für sich selbst und ihre Familien ausreichenden Anteil an den Erdengütern zu haben. Das war die Meinung der Väter und Lehrer der Kirche, die sagen, es sei Pflicht, die Armen zu unterstützen, und zwar nicht nur vom Überfluß. Wer aber sich in äußerster Notlage befindet, hat das Recht, vom Reichtum anderer das Benötigte an sich zu bringen.
Haben Arbeitslosengeld-II-Empfänger und ihre Familien ausreichenden Anteil an den Erdengütern? Das Bundesverfassungsgericht war da anderer Meinung als der Gesetzgeber! In Deutschland gibt es ca. 800 „Tafeln“, sodass der in diesem Text erlaubte „Mundraub“ nicht nötig ist. Aber entspricht das organisierte Almosen - für die Discounter von der Steuer absetzbar! -  der Christen-Pflicht der Kirchenväter? 

Diese und andere Stellen stärken uns immer wieder in der Auffassung, dass wir mit allen Gruppen zusammenarbeiten müssen, denen es um das Wohl aller und jedes Menschen geht. Das war und ist oft mühsam und langwierig. Denn die in den „Ghettos“ im Kampf gegen „Die Anderen“ gebildeten Erfahrungen vieler Organisationen sind nicht leicht abzubauen. Zumal sie oft durch ein „Bauchgefühl“ beeinflusst sind. Aber heute sind wir zur Bündnisarbeit mehr denn je herausgefordert. Auch und gerade als Erben des „Aggiornamento.“