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Die Konzilskonstitution Gaudium et Spes

Über die Kirche in der Welt von heute, oder kurz: Pastoralkonstitution – "eine schwere Geburt"

Nur drei Monate nach seiner Amtsübernahme, als er zu einem Gottesdienst zur Eröffnung der Weltgebetsoktave für die Einheit aller Christen in St. Paul vor den Mauern war, hat Papst Johannes XXIII. in der Sakristei den 17 anwesenden Kardinälen eine Synode für das Bistum Rom und ein Allgemeines Konzil für die Weltkirche angekündigt. Die Reaktion war – eisiges Schweigen.
Seine Worte hat er später per Brief an 63 Kardinäle geschickt, 25 haben geantwortet, davon 15 nur formal den Eingang bestätigt. Drei von den 63 haben lediglich inhaltlich argumentiert – das spricht für sich!

Über die Kirche in der Welt von heute, oder kurz: Pastoralkonstitution – "eine schwere Geburt"

Nur drei Monate nach seiner Amtsübernahme, als er zu einem Gottesdienst zur Eröffnung der Weltgebetsoktave für die Einheit aller Christen in St. Paul vor den Mauern war, hat Papst Johannes XXIII. in der Sakristei den 17 anwesenden Kardinälen eine Synode für das Bistum Rom und ein Allgemeines Konzil für die Weltkirche angekündigt. Die Reaktion war – eisiges Schweigen.
Seine Worte hat er später per Brief an 63 Kardinäle geschickt, 25 haben geantwortet, davon 15 nur formal den Eingang bestätigt. Drei von den 63 haben lediglich inhaltlich argumentiert – das spricht für sich!

Johannes XXIII. hat von Anfang an erklärt, dass es ein pastorales Konzil sein sollte, es weniger um die Klärung dogmatischer Fragen ginge. Die Bischöfe, die ganze Kath. Kirche wurde aufgefordert, Eingaben zu machen. Die Tausenden von Eingaben hatte die Kurie zu sortieren. Sie ging dazu so vor, dass sie das Inhaltsverzeichnis des alten CIC und je einer neuscholastischen Dogmatik und Moraltheologie hernahmen und die Eingaben zugeordnet hatten. Aber die pastoralen Anliegen kamen in den Inhaltsverzeichnissen alter Lehrbücher kaum vor. Vorbereitungskommissionen waren beauftragt, Beschlussvorlagen für das Konzil zu erarbeiten. Die Ritenkongregation wollte als einzige eine echte Reform, die der Liturgie. Ihre Beschlussvorlage war die am besten vorbereitete, mit ihr wurde begonnen, ihre theologische Reflexion ging weit über eine Liturgiereform hinaus und war stilbildend und richtungweisend für das ganze Konzil. Aber die pastoralen Anliegen waren noch immer nicht aufgenommen worden.

In seiner Ankündigungsansprache "Gaudet mater ecclesia" stellt Johannes XXIII. ganz klar den pastoralen Bezug von Kirche und kirchlicher Lehre heraus: Kirche als Haltung, als Vollzug, d. h. in Bewegung auf die Menschen hin ist konstitutiv; Pastoral gehört zu ihrem Wesenszug, bisher wurde sie nur als Applikation, als Ableitung dogmatischer Aussagen gesehen. „In der Welt sein…“, „Kirche in der Welt von Heute…“ war ein moderner Ausdruck: aggiornamento. Nicht nur das Leben des Einzelnen ist zu gestalten, sondern die Gesellschaft insgesamt. GS 7 etwa beschreibt prägnant diese neue epochale Situation der Moderne und sieht die Kirche in ihr. Das bedeutet eine Erweiterung und Vertiefung ihres Weltauftrages, weil Kirche nicht aus der Welt heraus, sondern sich Glaube nur in der Welt bewähren kann! Dass das bei manchen Kardinälen und Bischöfen Angst auslöste, liegt auf der Hand, für die übergroße Mehrheit aber war das eine Offenbarung und Befreiung.

In diesen Zusammenhang gehört der Begriff "die Zeichen der Zeit erkennen" – GS 4-10, vgl. LG 4. Dieses Wort war schon in Umlauf – Zeitungen hießen so. Dabei geht es um Zeichen der Zeit als Merkmale einer Epoche, die in bestimmten zeitlichen Situationen bewusst werden, wie z. B. der Sturm auf die Bastie als Schrei des Menschen nach Freiheit – hier steht das Wesen des Menschen und der Menschheit auf dem Spiel.

So kam es mit der Erarbeitung der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes (GS) zur einzigen, die erst innerhalb des Konzils auf den Weg gebracht wurde und die bis zum Schluß auch umstrittenste. Sie enthält z. B. Aussagen zur Friedenspolitik, konkret zu Atomwaffen. Da hielten sich auf dem Hintergrund der Kuba-Krise die US-amerikanischen Bischöfe bedeckt. Es brauchte 8 Textvorlagen, Schemata, die ersten wurden dem Konzil gar nicht vorgelegt. Die Abstimmung erfolgte am letzten Sitzungstag, am 7.12.1965, einem Tag vor dem feierlichen Abschluß des Konzils.

Wie kein anderes Dokument, außer die Erklärung über die Religionsfreiheit steht diese Konstitution für das Geschehen auf dem Konzil selbst. Kennzeichnend für GS sind v. a. 2 Merkmale:
Das Interesse am Menschen und die Öffnung zur Welt. Aber die Antwort "der Welt" blieb nicht aus – das Konzil fand ein überwältigendes Echo, eine derart positive Resonanz, die bahnbrechend war für die weitere Entwicklung auch nach dem Konzil. Weiter charakterisiert dieses Konzilsdokument der ihm eigene Mut, „in der komplexen Situation des heutigen Menschen und seiner Welt konkrete Weisungen zu geben, die als Weisungen zunächst die Glieder der Kirche betreffen, als Hinweise, Empfehlungen und Einladungen aber an alle Menschen gerichtet sind.“ (Karl Rahner / Herbert Vorgrimmler: Kleines Konzilskompendium, Freiburg i. Br., 21. Aufl. 1989, S. 425) Damit widerspricht das Konzil eindeutig jenen Tendenzen, die der Kirche als Aufgabe nur die Befriedigung religiöser Bedürfnisse zuschreiben.

Das Dokument hat folgenden Aufbau:

  • Vorwort GS 1-3;
  • Einführung: Die Situation des Menschen in der heutigen Welt GS 4-10
  • 1. Hauptteil: Die Kirche und die Berufung des Menschen GS 11-45.
    Kapitel I: GS 12 Die Würde der menschlichen Person (kennzeichnend für die Moderne: z. B. Menschenrechte…).
    Kapitel II: GS 23 Die menschliche Gemeinschaft. Der Mensch als Gemeinschaftswesen, sein "Mit-sein" mit den Anderen.
    Kapitel III: GS 33 Das menschliche Schaffen in der Welt, sein Tun, wie er sich in der Welt entfaltet.
    Kapitel IV: GS 40 Die Aufgabe der Kirche in der Welt von heute
  • 2. Hauptteil: Wichtigere Einzelfragen GS 46-90.
    Kapitel I: GS 47 Förderung der Würde der Ehe und der Familie
    Kapitel II: GS 53 Die richtige Förderung des kulturellen Fortschritts
    Kapitel III: GS 63 Das Wirtschaftsleben
    Kapitel IV: GS 73 Das Leben in der politischen Gemeinschaft
    Kapitel V: GS 77 Die Förderung des Friedens und der Aufbau der Völkergemeinschaft
  • Schlusswort GS 91

(Der Darstellung liegen die Ausführungen von Prof. Dr. Peter Hünermann bei der Präsideskonferenz der KAB Deutschlands vom 19. bis 22. März 2012 in Herzogenrath zugrunde. Vgl. auch grundsätzlich Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil, hg. Von Peter Hünermann / Bernd Jochen Hilberath: Verlag Herder, Freiburg.)

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