Zehn Jahre nach der Flucht -
migration von 2015 lohnt sich
ein genauer Blick auf das, was
seitdem erreicht wurde. Wie ist
es den vielen Menschen ergangen,
die damals auf der Suche
nach Schutz und einer neuen
Perspektive nach Deutschland
kamen? Wie gut hat ihre Integration
in Arbeit und Gesellschaft
funktioniert? Und welche
Lehren lassen sich daraus
für die Zukunft ziehen?
Mit diesen Fragen beschäftigte
sich der Vortrag „Zehn
Jahre nach der Fluchtmigration
2015 – Arbeitsmarktintegration
von Geflüchteten”, zu dem
die Katholische Arbeitnehmer-
Bewegung (KAB) Bamberg im
Oktober eingeladen hatte.
Ziel der Veranstaltung war
es, Bilanz zu ziehen – sachlich,
differenziert und mit
Blick auf die Menschen, die
hinter den Zahlen stehen.
Philipp Jaschke, wissenschaftlicher
Mitarbeiter des
In stituts für Arbeitsmarkt-
und Berufsforschung (IAB),
stellte zentrale Ergebnisse
einer aktuellen Studie vor.
Erfolge sichtbar –
Integration gelingt
Ein zentrales Ergebnis: Viele
Geflüchtete haben den
Einstieg in den Arbeitsmarkt
geschafft. Ende 2024
lag die Beschäftigungsquote
der 2015 zugezogenen
Schutzsuchenden bei 64
Prozent – und damit nur rund
sechs Prozentpunkte unter dem
gesamtdeutschen Durchschnitt
(70 Prozent). Das zeigt: Integration
in Arbeit ist möglich,
wenn Chancen eröffnet und
Barrieren abgebaut werden.
Die Verdienste der Geflüchteten
sind im Laufe der Jahre
gestiegen, liegen aber nach wie
vor häufig im unteren Einkommenssegment.
Bei der Qualität
der Arbeitsverhältnisse lässt
sich ein Aufwärtstrend erkennen.
Viele Geflüchtete arbeiten
heute in Dienstleistungs- und
Handwerksberufen, in der
Pflege oder im Produktionsbereich.
Der Anteil der Geflüchteten
in sogenannten Helfer -
tätigkeiten, die nur wenig Qualifikation
voraussetzen, sinkt.
Frauen weiterhin deutlich
seltener beschäftigt
Ein Punkt bleibt besonders
deutlich: Die Unterschiede
zwischen Männern und Frauen
sind groß. Geflüchtete Frauen
sind nach wie vor deutlich
seltener erwerbstätig als Männer.
Gründe dafür liegen unter
anderem in familiären Be -
treuungspflichten, niedrigeren
Bildungsabschlüssen, gesundheitlichen
Belastungen und
eingeschränkten Möglichkeiten,
an Sprachkursen oder
Weiterbildungsangeboten teilzunehmen.
Die Forschung zeigt:
Wenn Frauen besseren Zugang
zu Sprachförderung,
Kinderbetreuung und flexiblen
Arbeitsmodellen erhalten,
steigt auch ihre Erwerbsbeteiligung.
Ge rade
hier sieht die KAB einen
wichtigen Auftrag: Gleichberechtigte
Teilhabe am Arbeitsleben
ist Grundvoraussetzung
für soziale Gerechtigkeit.
Politische Maßnahmen
zeigten Wirkung
Die Jahre nach 2015 waren
geprägt von großen organisatorischen
Herausforderungen
– für Verwaltung,
Bildungseinrichtungen, Arbeitsagenturen
und Kommunen. Dennoch wurde viel
bewegt:
• Integrationskurse wurden geöffnet
und massiv ausge-
baut.
• Asylverfahren wurden beschleunigt,
um schneller
Rechtssicherheit zu schaffen.
• Beratungs- und Förderangebote
der Bundesagentur für
Arbeit und von freien Trägern
wurden erweitert.
Diese Maßnahmen haben wesentlich
dazu beigetragen, dass
Geflüchtete besser Fuß fassen
konnten. Mit der Zeit ver -
besserten sich auch die recht -
lichen und sozialen Rahmen -
bedingungen: Viele erhielten
einen anerkannten Schutzstatus
und zogen aus Gemeinschaftsunterkünften
in eigene
Wohnungen.
Die Erfahrung zeigt: Je länger
der Aufenthalt, desto besser
die Chancen auf Arbeit. Integration
ist also kein kurzfristiges
Projekt, sondern ein langfristiger
Prozess, der Geduld,
Planung und politische Unterstützung
braucht.
Regionale Unterschiede
erschweren Integration
Nicht überall verlief der Einstieg
gleich gut. In Regionen
mit hoher Arbeitslosigkeit und
wenig Ausbildungsplätzen fällt
der Start in den Beruf deutlich
schwerer. Wohnsitzauflagen,
die Geflüchtete an bestimmte
Orte binden, verschärfen dieses
Problem zusätzlich.
Wer in strukturschwachen
Gebieten lebt, hat geringere
Chancen auf gute Arbeit und
Weiterbildung. Hier ist politische
Steuerung gefragt: Nur
wenn Geflüchtete dorthin ziehen
dürfen, wo es Arbeit gibt,
kann Integration nachhaltig
gelingen.
Auch Wohnsituation und Gesundheit
spielen eine Rolle:
Wer lange in Gemeinschaftsunterkünften
lebt oder gesundheitlich
eingeschränkt ist, findet
seltener Beschäftigung.
Umgekehrt zeigen Studien,
dass sich gute Deutschkenntnisse
und ein stabiler Gesundheitszustand
positiv auf die
Jobchancen auswirken – beides
sind Felder, in denen gezielte
Unterstützung viel bewirken
kann.
Sprache, Bildung und
Beratung sind Schlüssel
zum Erfolg
Deutsche Sprachkompetenz ist
ein wesentlicher Faktor für die
Arbeitsmarktintegration. Gute
oder sehr gute Deutschkenntnisse
erhöhen auch nach mehreren
Jahren in Deutschland
die Wahrscheinlichkeit, erwerbstätig
zu sein, um rund
sieben Prozentpunkte – und die
Verdienste sogar um bis zu sieben
Prozent. Das gilt vor allem
für Frauen.
Auch der Abschluss eines Integrations-
oder Sprachkurses
steigert die Beschäftigungschancen
deutlich, ebenso wie
der Zugang zu individueller
Beratung und Qualifizierung.
Programme der Bundesagentur
für Arbeit, der Wohlfahrtsverbände
und vieler Ehrenamtsinitiativen
haben hier wichtige
Brücken gebaut.
Für die KAB ist klar: Bildung
ist der Schlüssel zu fairer
Teilhabe. Wer Sprache beherrscht
und seine Qualifikationen
einbringen kann, gewinnt
Selbstvertrauen und Gestaltungsmöglichkeiten
– zentrale
Werte, die auch im Leitbild
der KAB fest verankert
sind.
12 KAB anderswo
Integration braucht Zeit –
und gerechte Strukturen
Insgesamt fällt die Bilanz zehn
Jahre nach 2015 gemischt, aber
hoffnungsvoll aus. Viele Hürden
konnten abgebaut werden,
viele Menschen haben neue
Perspektiven gefunden. Doch
Integration bleibt eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe.
Strukturelle Barrieren wie
befristete Aufenthaltsgenehmigungen,
fehlende Kinderbetreuung,
hohe Mieten oder unsichere
Arbeitsbedingungen
verhindern oft, dass Geflüchtete
dauerhaft Fuß fassen.
Gleichzeitig zeigen die Erfolge,
dass es möglich ist, aus anfänglicher
Unsicherheit stabile
Lebens- und Arbeitsverhältnisse
zu schaffen – wenn Politik,
Wirtschaft und Zivilgesellschaft
zusammenarbeiten.
Die KAB Bamberg betont
dabei besonders die soziale Dimension
der Arbeit: Arbeit ist
mehr als Einkommen – sie bedeutet
Teilhabe, Würde und
Gemeinschaft. Deshalb setzt
sich die KAB dafür ein, dass
Integrationspolitik nicht nur
ökonomische, sondern auch
soziale und ethische Ziele verfolgt.
Solidarität als Leitmotiv
Die Erfahrungen seit 2015 machen
deutlich: Integration gelingt
dort, wo Menschen offen
aufeinander zugehen, Strukturen
verlässlich sind und Solidarität
gelebt wird. Viele KABGruppen,
Pfarreien und Ehrenamtliche
im Erzbistum Bamberg
haben in den vergangenen
Jahren genau das gezeigt –
durch Sprachpatenschaften,
Nachhilfe, Berufsbegleitung
oder Unterstützung bei der
Wohnungssuche.
Diese alltägliche Solidarität
ist der Kern dessen, was christliche
Sozialethik meint: Den
Menschen in den Mittelpunkt
stellen.
Fazit
Zehn Jahre nach der großen
Fluchtbewegung zeigt sich: Integration
ist machbar – aber
sie braucht Zeit, Ressourcen
und den festen Willen, Teilhabe
zu ermöglichen. Die Arbeitsmarktintegration
vieler Geflüchteter
ist eine Erfolgsgeschichte,
die Mut macht. Doch
sie erinnert uns auch daran,
dass Gerechtigkeit und Chancengleichheit
immer wieder
neu erkämpft werden müssen.
Die KAB Bamberg wird diesen
Weg weiter begleiten – mit
klarer Stimme für soziale Gerechtigkeit,
mit Einsatz für faire
Arbeitsbedingungen und mit
gelebter Solidarität, die Grenzen
überwindet. KAB
Quelle: Brücker, Herbert;
Jaschke, Philipp; Kosyakova,
Yuliya (2025): 10 Jahre Fluchtmigration
2015: Was Integration fördert und was sie bremst,
In: IAB-Forum 25. August 2025,
10-jahre-fluchtmigration-2015-
was-integration-foerdert-undwas-
sie-bremst/,
Abrufdatum:
23. October 2025








